Klage vor dem Sozialgericht – Kostenübernahme einer Therapie mit Cannabis

Da die Kostenübernahme von meiner Krankenkasse abgelehnt wurde klage ich inzwischen vor dem Sozialgericht. Diese Option wird leider kaum genutzt, dabei steht eine Klage vor dem Sozialgericht jedem offen. Es ist einfacher als man denkt und man brauch auch keinen Anwalt. Als mögliche Vorlage habe ich meine Anklage etwas redaktionell bearbeitet und persönliche Daten und Informationen gekürzt. Insbesondere die Begründung könnte für andere Patienten, insbesondere ehemaliger Inhaber einer Ausnahmeerlaubnis interessant sein. Wie gut meine Vorlage ist werde ich wohl erst noch herausfinden. Daher der übliche Disclaimer: Ich bin kein Anwalt und diese Vorlage kann und soll weder eine Beratung oder Vertretung durch einen Anwalt ersetzen.

VORAB PER FAX
An das
Sozialgericht Berlin

Kostenübernahme einer Therapie mit Cannabis

Sehr geehrte Damen und Herrn,
ich beantrage, die Ablehnung meines Antrages auf Übernahme der Kosten einer Therapie mit Cannabis durch meine Krankenkasse, der TK aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen eine Kostenzusage zu erteilen.

Der Geschäftszeichen des Vorganges bei der TK laut: xxxyy
Der Antrag auf Übernahme der Kosten erfolgte am 21.04.2017. Die erste Ablehnung stammt vom 5.5.2017. Ich legte Widerspruch am 31.05.2017 sowie am 8.8.2017 ein. Der Widerspruchsbescheid gemäß § 85 SGB trägt das Datum 22.11.2017.

Zwei Exemplare der Klage werden auf dem Postweg dieser Klage nachgesandt.
Zudem übersende ich ihnen noch in einfacher Ausführung da sie der TK vorliegen:
– Mein erste formale Widerspruch vom 31.05.2017
– Erste Ablehnung des Antrag vom 5. Mai 2017
– Mein Antrag beginnend mit der „Ärztlichen Bescheinigung“ sowie dem Antrag selbst von 24.03.2017
– Mein ausführlicher Widerspruch vom 8.8.2017
– Diverse Anhänge auf die im Antrag und dem Widerspruch verwiesen wird.
– Der Widerspruchsbescheid vom 22.11.2017

Begründung der Klage:

Punkt 1 – Die Ablehnung beruht auf einer Interpretation der Rechtslage die deren Sinn und Zweck widerspricht sowie dem Willen des Gesetzgebers, wie er in den Protokollen und Anträgen im Deutschen Bundestag nachzulesen ist.

Punkt 2 – Der Gesetzgeber hat mit dem „Cannabis als Medizin“-Gesetz mehrere Ziele verfolgt. Zum einem sollte der Eigenanbaus durch Patienten nach dem Urteil des Bundessozialgericht verhindert werden. Zweitens, eine Therapie mit Cannabis als Medizin sollte generell ermöglicht werden. Zuletzt hatte der Gesetzgeber insbesondere die bisherigen Inhaber einer Ausnahmeerlaubnis im Blick. Deren Lage sollte durch das Gesetz verbessert werden. Ohne Kostenübernahme hat sich die Situation von Patienten wie mir allerdings verschlechtert. Durch die fast Verdoppelung der Preise steht uns als Selbstzahlern praktisch nur noch die Hälfte unserer Medizin zur Verfügung. Diese Verschlechterung steht diametral im Gegensatz zum Willen des Gesetzgebers.

Punkt 3 – Der Gesetzgeber hat bezüglich der Genehmigung durch die Krankenkasse eine äußerst scharfen Formulierung gewählt. Zitat: Drucksache 18/10902 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Die Versorgung von Versicherten mit schwerwiegenden Erkrankungen soll durch den Anspruch auf Versorgung mit Cannabis nach Satz 1 verbessert werden. Die Genehmigungsanträge bei der Erstverordnung der Leistung sind daher nur in begründeten Ausnahmefällen von der Krankenkasse abzulehnen. Damit wird auch der Bedeutung der Therapiehoheit des Vertragsarztes oder der Vertragsärztin Rechnung getragen.

In der Praxis lehne die Krankenkassen die Anträge wie den meinen weit häufiger als nur im Ausnahmefall ab.

Punkt 4 – Nicht berücksichtigt wurde zudem weitere Dokumente, Zitat aus der „Ärztlichen Bescheinigung“:

1. Die ärztlich begleitete Selbsttherapie mit Cannabisblüten seit dem Jahr 2014 haben eine spürbare positive Einwirkung im konkreten Einzelfall gezeigt.

2. Die Bundesopiumstelle hat in de Vergangenheit bereits eine Ausnahmeerlaubnis bei der vorliegenden Erkrankungen erteilt und dabei die Aussicht auf Erfolg geprüft.

Die Tatsache dass der Fall bereits durch eine Bundesbehörde geprüft wurde und eine Erlaubnis an strengere Voraussetzungen als im Gesetz gebunden war, wird von den Krankenkassen ignoriert.

Vgl. Sozialgericht Gießen Az: S 7 KR 243 / 17 ER

In der Erteilung einer solchen Genehmigung sieht die Kammer zumindest eine lndizwirkung, zumal hier ein § 31 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1a SGB V vergleichbares – gegenüber § 31Abs. 6 Satz 1 Nr. 1b SGB V noch engeres – Prüfungsregime zugrunde lag. Die Ausnahmegenehmigung nach § 3 BtMG konnte nur dann erteilt werden, wenn keine verfügbare Behandlungsalternative vorhanden war, denn nur dann lag ein öffentliches Interesse vor,im Wege der Ausnahmeerlaubnis den medizinischen Einsatz eines weder verkehrs- noch verschreibungsfähigen Betäubungsmittels zuzulassen. Das erforderliche öffentliche Interesse war zu bejahen, wenn die Erkrankung durch die Behandlung mit dem Betäubungsmittel geheilt oder zumindest gelindert werden konnte und wenn dem Betroffenen keine gleich wirksame Behandlungsalternative zur Verfügung stand (vgl. BVerwG, Urteilvom 19.05.2005 – 3 C 17/04 –, juris). Da die Ausnahmegenehmigung hier bereits vor zwei Jahren erteilt wurde, vermag das Gericht keine stichhaltigen Einwände gegen eine ärztliche Verordnung nach Maßgabe von § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V Zu erkennen.

Punkt 5 – Das Gutachten des MDK enthält zudem Fehler wie ich in meinen ausführlicher Widerspruch vom 8.8.2017 ausführe. […]

Punkt 6 – Konkret wird die Übernahme der Therapiekosten abgelehnt, da meine Gesundheitsstörung als nicht schwerwiegend eingestuft wird. Der Begriff “schwerwiegend” wird hierbei im Sinne von Kapitel 2 Abschnitt F § 13 Absatz 3 der Arzneimittelrichtlinie auslegt. Dies widerspricht dem Willen des Gesetzgebers. Wie Sie den Ausführungen von Dr. Tolmein (Anlage, Kapitel B1) entnehmen können, nutze der Gesetzgeber zunächst den Begriff schwerwiegend chronisch krank im Sinne der Chroniker-Richtlinie. Diese Bedingungen erfülle ich, Beleg anbei. Des weiteren ist hinzuzufügen, dass in der Beratung zum Gesetzestexts das Wort chronisch gestrichen wurde, um Patienten auch vor dem Erfüllen des Kriteriums einer Dauerbehandlung kostenerstattes Cannabis zugänglich zu machen. Damit hat der Gesetzgeber explizit eine Ausweitung des Einsatzes forciert, nicht etwa eine Einschränkung.

Jede Uminterpretation in Richtung „schwerwiegend“ = „ lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung“ führt das Gesetz ad absurdum weil der Bundestag dann hätte kein Gesetz erlassen müssen, das den SGB V § 2 Abs. 1a noch ein zweites im Bezug auf Cannabis beschreibt.

Welche Erkrankungen als schwerwiegende Erkrankung zu bewerten sind, wird weder im Gesetzestext noch in der Gesetzesbegründung näher ausgeführt. In anderen Kontexten des SGB V wird eine Krankheit jedoch dann als schwerwiegend verstanden, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörungen die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt

(vgl. § 34 Abs. 1 SGB V und § 35 Abs. 2 SGB V).

Eine schwerwiegende Erkrankung muss zumindest dann angenommen werden, wenn es sich um eine chronische Krankheit nach § 2 Abs. 2 der Richtlinie des GBA zur Definition schwerwiegender chronischer Krankheiten im Sinne des § 62 SGB V handelt. Die Voraussetzungen sind:

Die Krankheit besteht bereits wenigstens ein Jahr lang,

Die Krankheit wurde mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt (Dauerbehandlung),

Es liegt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 vor.

Diese Kriterien sind jedoch nicht abschließend, sondern bilden lediglich einen Maßstab ab, nachdem kein Raum mehr für eine andere Bewertung als die Annahme einer schwerwiegenden Erkrankung bleibt. Insbesondere erteilte Erlaubnisse nach § 3 BtmG indizieren in der Regel auch die Annahme einer schwerwiegenden Erkrankung. Dort waren die am häufigsten anerkannten Krankheiten: chronische Schmerzen, Multiple Sklerose, Tourette-Syndrom, depressive Störungen, ADHS (nicht abschließend).

  • Volker Gerloff https://www.anwalt.de/rechtstipps/cannabis-auf-rezept-krankenkassen-verweigern-sich-weitgehend_112061.html

Punkt 7 – Daneben verweise ich auf meinen ausführlicher Widerspruch vom 8.8.2017 und dessen Anhänge.

Mit freundlichen Grüßen,

UNTERSCHRIFT