Ich musste mich heute sehr aufregen. Anlass war eine der zahlreichen Diskussionen auf Facebook bei der gegen Ärzte gehetzt wurde. Patienten unterstellen Ärzte, die nicht ihrer Meinung sind, reflexartig alles mögliche und der Facebook Mob springt dankend darauf an.
Halt stop! Man kann es sich beim Be-/Verurteilen von anderen Menschen auch zu einfach machen. Wenn Patienten nicht einmal versuchen die Sichtweise des Arztes nachzuvollziehen, warum erwartet ihr dass euch zugehört wird? Feindbilder a la „von der Pharma bezahlt“ oder Beschimpfungen wie „in welchem Jahrhundert lebt der den?“ helfen hier ebenfalls nicht weiter.
Ein passender Artikel zum Thema Verhältnis Arzt und Patient: Das Verhältnis zwischen Patient und Arzt – Reden ist Gold wert
Auch Ärzte haben ein Anrecht auf Respekt und Verständnis!
Jeder Arzt muss nach bestem Wissen und Gewissen handeln. Er kann ebenso wenig dazu gezwungen werden Cannabis zu verschreiben wie ihr bestimmte Medikamente nehmen müsst. Sollte ein Arzt Therapieformen nutzen, über die er nichts weiß? Oder sollte er die Mittel einsetzen mit denen er viel Erfahrung hat und schon vielen Patienten geholfen hat?
Für jedes Rezept, insbesondere Betäubungsmittel wie Cannabis muss der rechtlich die Verantwortung tragen. Bei Fehlern kann er seinen Job los sein und ihn sogar in den Bau bringen. Bevor ein Arzt ein BtM verschreiben darf, muss er alle Nicht-BtMs durchprobieren haben – außer er kann sich auf völlig klare Leitlinien für den Einsatz eines BtMs als Mittel der ersten Wahl stützen.
Mehr zum Thema: Cannabisblüten „ohne weiteres“ auf Privatrezept verschreiben?
Wie würde es euch an seiner Stelle gehen?
Wie würdet ihr in eurem Beruf handeln – wenn ihr nichts von dieser neuen Technik wisst und ihr keine guten Bücher dazu findet? Wenn euch euer Chef und die Kollegen belächeln wenn ihr das Thema mal erwähnt? Und wenn selbst die eigene Berufsvertretung sehr skeptisch ist?
Würdet ihr als KFZ Mechaniker einen fliegenden DeLorean mit Fluxkompensator reparieren? Während euch ein Doc Brown abwechselnd beschimpft, mit Internetausdrucken wedelt und erklärt dass das alles eigentlich ganz einfach ist? Würdet ihr dann noch euren Stempel als Vertragswerkstatt darauf machen und für alles garantieren?
Die Schmerzmediziner sind wohl die aufgeschlossenste Gruppe unter den Fachärzten, trotzdem:
Die Studienlage ist derzeit oftmals leider schwach. Nach derzeitigem Wissens- und Erfahrungsstand sind Cannabinoide bei einzelnen ausgewählten Schmerzpatienten ausreichend wirksam. In der Mehrheit der chronischen Schmerzpatienten zeigen Cannabinoide jedoch lediglich eine geringe bis mäßige Schmerzlinderung, sodass sie anderen bisher gebräuchlichen Schmerzmitteln nicht überlegen sind.
Cannabis ist als Medikament noch nicht soweit wie die gebräuchlichen Mittel
Die „Pharma“ ist nicht böse, aber ihre Produkte sind im Gegensatz zu Cannabis in Deutschland zugelassen, in klinischen Studien erforscht und jeder Arzt hat x Patientenjahren Erfahrungen mit ihnen. Cannabisblüten haben nicht einmal einen Beipackzettel, keine offiziellen Angaben zur Dosierung etc.
Die Skepsis von Äzten bzgl. der Kostenübernahme ist ebenso verständlich. Wisst ihr wieviele Menschen Ablehnungen erhalten haben? Wisst ihr wieviele Menschen die sogar eine Ausnahmegenehmigung von der Opiumstelle erhalten haben weiterhin auf ihren Kosten sitzen bleiben?
Zum Thema Wissenslücken
1. Überlegt einmal wann das Endocannabinoidsystem entdeckt wurde. Dann rechnet paar Jahre dazu bis man genug wusste um ein Standardwerk zu schreiben. Wieder paar Jahre bis es in die Lehrpläne aufgenommen wurde. Dann überlegt man wann die allermeisten Ärzte studiert haben. Sie hatten keine Chance in ihrem Studium über das Endocannabinoidsystem zu erfahren.
2. Selbst wenn ein Arzt sich bilden möchte, es gibt nur sehr wenig gut aufbereitetes Material wie bei anderen Themen und keine Fortbildungsangebote.
3. Hätte ein Arzt die begrenzte Zeit die er hatte um sich fortzubilden dafür nutzen sollen entweder für Therapieform wie Cannabis zu investieren, bei der es bis vor kurzem noch völlig in den Sternen stand ob sie jemals „normalisiert“ (verschreibungsfähig etc.) und zur Verfügung stehen wird? Oder eher für Therapien bei denen ein echter Nutzen für seine Patienten deutlich greifbarer ist?